RUSSLAND MESCHUGGE - Putin, meine Familie und andere Außenseiter by Filipp Piatov

RUSSLAND MESCHUGGE - Putin, meine Familie und andere Außenseiter by Filipp Piatov

Autor:Filipp Piatov [Piatov, Filipp]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783423428385
Herausgeber: Deutscher Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2015-11-19T16:00:00+00:00


Man bringt die Juden weg. Das hatten die Juden gehört und wussten nicht, wieso oder wohin. Aber an diesem Tag waren die Deutschen besonders aggressiv und befahlen den Juden, sich auf dem Platz zu versammeln, die Anlage sollte geräumt werden und dennoch sollten sie ihre Sachen zurücklassen. Vielen war auf der Stelle klar, dass das nichts Gutes verhieß. Rasch stürzten alle in ihre Zimmer, um wenigstens ein bisschen Geld und die Papiere mitzunehmen, vielleicht würde man es noch gebrauchen können. Nur Sonjechkas Mutter ahnte, dass es wohl keinen Rückweg geben würde. Sie befahl Sonja, sich hinter einem großen Schrank zu verstecken, hinter dem noch viel altes Zeug lag, und sich in eine kleine Mulde zu ducken, in die Sonja mit ihren acht Jahren gerade so reinpasste. Haya und Zalman nahm sie mit, als die Juden wieder herausgetrieben wurden und Puchovitschi verließen.

Kaum waren sie weg, begann das große Plündern. Stundenlang saß Sonja hinter dem Schrank. Ihr Versteck wurde immer größer, da die Diebe immer wieder hinter den Schrank griffen und Dinge herauszogen, hinter denen Sonja sich verbarg. Bis zum Abend kamen die Dorfbewohner und suchten nach Schmuck, Geld und allem, was sie mitnehmen konnten. Niemand bemerkte die kleine Sonja, die mucksmäuschenstill hinter dem Schrank kauerte und jedes Mal die Luft anhielt, wenn sie Stimmen hörte. Es war ihr Glück, dass sie nicht versuchten, den massiven Schrank zur Seite zu rücken. Vielleicht aus Faulheit, womöglich schien ihnen der Krempel, der dahinter lag, nicht wertvoll genug. Erst am späten Abend kroch sie hervor und ging auf die menschenleere Straße, wo ein Bekannter, ein Weißrusse, sie aufnahm und sich irgendwie mit ihrem Vater in Verbindung setzte, der im Wald versteckt war.

Ihre Mutter Teme und ihre Geschwister, Hayale und Zalman, waren zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Hoffentlich waren sie tot. Die Juden von Puchovitschi wurden zu einem Feld geführt, in dem eine tiefe Grube ausgehoben war. Sie alle mussten hineinsteigen. Als sie die Soldaten und Hilfspolizisten mit den Schaufeln sahen, verstanden sie. Einige bekamen Panik und wurden auf der Stelle erschossen. Die anderen nicht. Noch Tage später bewegte sich die Erde auf diesem Feld, wo Teme, Hayale, der kleine Zalman und die anderen Juden von Puchovitschi tot und lebendig begraben worden waren. Im Jahr zuvor waren sie friedlich ihrer Arbeit nachgegangen, hatten ihre Kinder erzogen und ihre Feiertage begangen. Nun waren sie hingerichtet worden oder halb tot in einem Grab gefangen, von Menschen, denen sie nichts getan hatten. Vielleicht versuchten manche, sich zu befreien, sich an die Luft zu graben. Vielleicht erstickten manche ihre Kinder, um sie von den Qualen und der Angst zu erlösen.

Sonja musste sich dieses Verbrechen nicht ansehen. Aber ihr war klar, dass ihre Mutter und ihre Geschwister nicht wieder auftauchen würden. Ihre Kindheit hatte ein Ende gefunden. Sie musste für sich selbst sorgen, um zu überleben. Sonja mit ihren dunklen Locken und ihren roten Wangen, die jeder Blinde als Jude ausmachen würde, geschweige denn ein Deutscher. Aber niemand durfte sie erkennen, sonst hätte ihre Mutter sie umsonst hinter dem Schrank versteckt,



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